Ägypten legalisiert Geschlechtsoperationen nach iranischem Modell und kriminalisiert dadurch Homosexualität.
Als 1988 die Geschichte der Transsexuellen Sally Abdallah in Ägypten bekannt wurde, war dies für den Großteil der ägyptischen Gesellschaft, die zum ersten Mal von einer Geschlechtsumwandlung von Mann zu Frau hörte, neu und ungewöhnlich. An dieser Wahrnehmung hat sich bis heute kaum etwas geändert.
Sally Abdallah wurde von der medizinischen Fakultät der Al Azhar Universität aufgrund ihrer Geschlechtsumwandlung aus ihrem Arbeitsverhältnis entlassen. Die Entscheidung wurde vom Verwaltungsgericht befürwortet und erst 18 Jahre danach vom Höheren Verwaltungsgericht aufgehoben. Transsexuelle müssen ein langes Hin und Her mit staatlichen Institutionen erdulden, wenn sie für ihr Recht auf ein Leben mit dem Geschlecht, dem sie ihrem Empfinden nach angehören, eintreten. Sally ist somit kein Einzelfall, jedoch die Erste, die die Angelegenheit im Ringen mit der Al Azhar Universität an die Öffentlichkeit brachte. Mittlerweile erhalten Transsexuelle in Ägypten und der Region Betreuung durch das Al-Hussain-Krankenhaus der Al–Azhar-Universität, und sie bekommen die nötigen medizinischen Berichte, um ihre Rechte geltend zu machen. Ein großer Fortschritt?
LGBT ist die Abkürzung, die im Westen seit der sexuellen Revolution in den späten Sechzigerjahren gebraucht wird, um sexuelle Minderheiten begrifflich zu umfassen: Lesbisch, schwul (Gay), Bisexuell und Transsexuell. In Ägypten spricht man von der M-Gemeinschaft.
Westliche Länder akzeptieren Transsexuelle auf rechtsstaatlicher Ebene als Teil der sexuellen Minderheit. Im Westen ging der Kampf um die Rechte der Homosexuellen dem der Transsexuellen voraus, in -islamischen Ländern lief die Entwicklung entgegengesetzt. Im Westen fand der Kampf im Namen des Rechts auf Anderssein statt, in der islamischen Welt wird Homo-, Bi- oder Transsexualität als eine Krankheit angesehen, deren einziges Gegenmittel eine Geschlechtsoperation ist. In den meisten islamisch geprägten Ländern wurde somit der Weg der Fatwas eingeschlagen.
1987 gelang es der transsexuellen Iranerin Maryam Khatoon Molkara den Imam El-Khomeini persönlich davon zu überzeugen, dass es an der Zeit sei, eine Fatwa auszusprechen, die Geschlechtsumwandlungen zulässt. Dazu musste sie zwölf Jahre lang Briefe an ihn schreiben. Es war die erste Fatwa ihrer Art in der islamischen Welt, die zur Legalisierung von Geschlechtsumwandlungen im Iran führte. Der Staat bot sogar finanzielle Unterstützung an, die heute bis zu 50% der Operationskosten deckt. Was der Inhalt der Fatwa war, wie die religiöse Beweisführung aussah, auf die sie sich beruft, oder was sie beabsichtigte, ist der Öffentlichkeit nicht bekannt. Letztendlich half sie jedoch einer verfolgten Gruppe auf Kosten einer anderen: Zwar wurde die Geschlechtsumwandlung durch die Fatwa legalisiert, Homosexualität wird jedoch nach wie vor hart bestraft, was so weit geht, dass es zur Hinrichtung kommen kann. Die Betroffenen werden vor die Wahl gestellt: entweder das Geschlecht umwandeln zu lassen oder den Tod zu erleiden. Somit soll die homosexuelle Person, die vom konservativen Regime als pervers angesehen wird, ihr Geschlecht umändern und sich friedlich in das konservative Gesellschaftssystem integrieren.
Dabei begreift der religiöse Staat den markanten Unterschied zwischen Transsexualität und Homosexualität nicht. Bei Transsexualität geht es um die Umwandlung des Geschlechts, unabhängig von der sexuellen Neigung, während es bei Homosexualität um die sexuelle Neigung geht, unabhängig von Geschlecht und Gender. Für das konservative iranische Regime fällt all dies in den Rahmen der Perversität und Abartigkeit, wofür die Imame im Iran eine Lösung in der Geschlechtsumwandlung gefunden haben.
Transsexuelle fühlen sich mit ihrem Geschlecht nicht wohl. Das soziale steht mit dem biologischen Geschlecht nicht im Einklang, was nichts mit der sexuellen Neigung zu tun hat. Frauen können sich zu Männern wie auch zu Frauen oder zu beiden Geschlechtern hingezogen fühlen, dasselbe gilt entsprechend für Männer. Transsexuelle, nicht Homosexuelle, wollen sich von einer Frau zu einem Mann oder von einem Mann zu einer Frau umwandeln lassen. Manche wollen sich direkt operieren, andere nur hormonell behandeln lassen, ohne operativen Eingriff. Andere wollen sich keinem spezifischen der festgelegten Geschlechter (Mann-Frau) zuordnen lassen. Es gibt viele verschiedene Ausprägungen im Gender-Spektrum, die in den versteiften Vorstellungen von Geschlechterbinarität gar nicht vorkommen und die von den meisten religiösen Glaubensformen und konservativen Wertegemeinschaften als normerschütternd und vom gesellschaftlichen Fundament gefährlich abweichend betrachtet werden. Als Geschlechtsumwandlungen im Iran widerwillig anerkannt wurden, beabsichtigte man damit eine vollständige Umwandlung von einem Geschlecht in das andere, und zwar als eine Notwendigkeit zur Behandlung eines größeren Übels und nicht als ein menschliches Recht auf Anderssein und auch nicht als eine notwendige Behandlung aufgrund medizinischer Befunde.
In den wenigen Krankenhäusern in Ägypten, in denen die Geschlechtsumwandlung von Transsexuellen betreut wird, ist das iranische Modell klar präsent. Den gängigen sozialen Normen entgegenzuwirken oder ihnen zu entfliehen, ist aussichtslos. „Du bist krank und wir behandeln dich, um dich vor der Perversion zu retten.“ Homosexualität wird nicht zugelassen. Ein transsexueller Mann, der sein Geschlecht ändern will, darf keine Frauen begehren. Sonst fällt der medizinische Bericht entgegen seinem Wunsch aus. „Wir sind hier, um Homosexualität zu behandeln, nicht, um sie zu unterstützen.“ „Homosexuelle sind pervers und müssen sich von ihren Neigungen befreien.“ „Oder ... vielleicht ... kommen sie zu uns, um sich freiwillig operieren zu lassen?“ Dieser letzte Punkt ist noch nicht erreicht, aber viele befürchten, dass der Trend in diese Richtung geht. Der Iran möchte durch die Legalisierung von Geschlechtsumwandlungen Homosexualität unsichtbar machen; in Ägypten werden Geschlechtsumwandlungen nach dem gleichen Schema widerwillig legalisiert. Gleichzeitig arbeitet das ägyptische Parlament an einer Gesetzesvorlage zur Kriminalisierung von Homosexualität.
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